Auf der Balustrade des Alten Rathauses in Gotha stehen drei allegorische Figuren von Bernd Göbel – „Prudentia“, „Caritas“ und „Fortitudo“. Sie geben den Ton für eine Stadt vor, in der Geschichte, Kunst und Tugenden auf Schritt und Tritt spürbar sind. 2025 feiert Gotha sein 1250-jähriges Jubiläum – ein perfekter Anlass, genauer hinzusehen.
- Warum sich Gotha lohnt
- Das dynastische Herz Europas
- Friedenstein: Das größte frühbarocke Schloss Deutschlands
- „Deutscher Louvre“ und Schätze aus aller Welt
- Das Ekhof-Theater: Barock, das sich bewegt
- Herzogliches Museum: Von Mumien bis Rembrandt
- „Gotha genial?!“: Erfindungen und Erstleistungen
- Perthes-Atlanten und der Almanach „Der Gotha“
- Süßes und Kräftiges: Der Geschmack Gothas
- Thüringerwaldbahn: Langsame Freude
- Praktisch: Anreise und Unterkunft
Warum sich Gotha lohnt
Gotha wird oft von seinen Nachbarn überstrahlt – Weimar mit Goethe und Schiller, Erfurt mit UNESCO-Erbe, Eisenach mit der Wartburg. Doch die fünftgrößte Stadt Thüringens bietet alles für eine dichte Reise: einen Residenzkomplex von europäischem Rang, ein Theater von Weltniveau, Museen mit einzigartigen Sammlungen, eine gepflegte Altstadt, bequeme ICE-Anbindung und grüne Umgebung.
Das dynastische Herz Europas
Die meisten europäischen Monarchen haben genealogische Bezüge zu Gotha. Vom „Stammvater“ Ernst dem Frommen, Herzog von Sachsen-Gotha (1601–1675), leiten sich Linien ab, zu denen u. a. die britischen Windsor (bis 1917: Sachsen-Coburg und Gotha), skandinavische Monarchen und das belgische Königshaus zählen. 2025 ist ein doppeltes Erinnerungsjahr: Stadtjubiläum und 350. Todestag Ernsts I.
Friedenstein: Das größte frühbarocke Schloss Deutschlands
Die ehemalige Residenz Ernsts I., Schloss Friedenstein (1643–1657), thront auf einem kasemattierten Hügel mit Blick über die Stadt. Die Flügel bilden einen Innenhof von Fußballfeldgröße; 500 Räume und über tausend Fenster beeindrucken im Maßstab. Trotz laufender Restaurierung ist das Schloss geöffnet: knarrende Parkettböden, Audienzgemächer, fürstliche Schlafräume und ein Ballsaal vermitteln Macht und Ambition eines kleinen, aber weitsichtigen Herzogtums. Thüringen bestand historisch aus zahlreichen „Mini-Staaten“ – daher die außergewöhnliche Dichte an Residenzen: rund 400 Schlösser und Burgen, Friedenstein als größtes.
„Deutscher Louvre“ und Schätze aus aller Welt
Über Jahrhunderte sammelte man in Friedenstein 1,15 Millionen Objekte: von Werken altniederländischer Meister und Bernsteinschmuck bis zum Zweispitz Napoleons. Der exzentrische Herzog August prägte die Sammlung mit provokanter Kunst – einige Stücke sind bis heute im Nordflügel zu sehen. Im Shop gehören Repliken der legendären, barock anmutenden Porzellantasse zu den Bestsellern.
Das Ekhof-Theater: Barock, das sich bewegt
Im Westflügel spielt das Ekhof-Theater – das älteste barocke Theater der Welt mit originaler Bühnentechnik des 17. Jahrhunderts. Kulissen werden von Hand bewegt, Donner entsteht durch hölzerne Kugeln, die in einem verdeckten Schacht rollen. 2025 steht Molières „Tartuffe“ auf dem Spielplan; alternativ lohnt sich eine Backstage-Führung mit VR-Kurzfilm.
Herzogliches Museum: Von Mumien bis Rembrandt
Unterhalb des Schlosses, am Rand des ersten englischen Parks auf dem europäischen Kontinent, liegt das Herzogliche Museum (seit 1864) mit japanischen Lackarbeiten, ägyptischen Mumien, einer großen Fächersammlung sowie Meisterwerken von Rembrandt, Holbein, Brueghel, van Dyck und Hals. Viele Gemälde kehrten nach einem spektakulären Kunstraub von 1979 zurück – heute mit dem Hinweis „Wieder im Einsatz“ ausgestellt.
„Gotha genial?!“: Erfindungen und Erstleistungen
Die Sonderausstellung „Gotha genial?!“ zeigt Gothas Wirkkraft auf Europa: eine führende Sternwarte des 18. Jahrhunderts; 1821 gründete Ernst Wilhelm Arnoldi Deutschlands erste Feuerversicherung, später die erste Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit; 1875 entstand im Hotel „Tivoli“ die SPD; 1878 eröffnete auf dem Hauptfriedhof das erste Krematorium Deutschlands.

Perthes-Atlanten und der Almanach „Der Gotha“
Der Verlag Justus Perthes (seit 1785) machte Gotha zum globalen Zentrum der Kartografie: Hier setzten sich die Farbstandards für Reliefkarten durch, die wir bis heute auf Atlanten und Globen sehen. Die „Sammlung Perthes“ bewahrt handgezeichnete Nilkarten, Kupferdruckplatten und einen riesigen „Kolumbus-Globus“. Ein weiterer Bestseller: der Adelsalmanach „Der Gotha“ (seit 1764) – die maßgebliche Referenz europäischer Aristokratie, ein Vorläufer moderner Society-Magazine.
Süßes und Kräftiges: Der Geschmack Gothas
Zum Jubiläum hat das Café Junghans die „Grimm-Kugeln“ wieder aufgelegt – vermutlich das erste deutsche Praliné (1812). Ein weiterer lokaler Hit ist der seit den 1960ern produzierte Wermut Gotano, der locker mit Martini Bianco mithält. Für Pausen bieten Markt und Buttermarkt Cafés sowie das thüringisch-rumänische „Lutherkeller“.
Thüringerwaldbahn: Langsame Freude
Von Gotha nach Bad Tabarz fährt die Thüringerwaldbahn – eine schmalspurige Überlandstraßenbahn, lokal „Urwaldrumpel“ genannt. 20 Kilometer durch das „grüne Herz Deutschlands“ mit Stopps für Spaziergänge und Waldbaden. Kaum eine größere Stadt bietet so viel Entschleunigung für weniger als sieben Euro.
Praktisch: Anreise und Unterkunft
Anreise. Gotha liegt an der ICE-Magistrale zwischen Frankfurt am Main, Leipzig und Dresden; Intercity-Direktzüge kommen u. a. aus Köln, Düsseldorf, Kassel und Gera. Regionale Verbindungen bestehen nach Göttingen, Eisenach, Erfurt, Weimar und Leipzig. Der äußerlich gezeichnete Bahnhof wird ab 2026 saniert.
Unterkunft. 4★ Hotel am Schlosspark (fußläufig zu Schloss und Altstadt); Gästehäuser in der Altstadt; Herberge im Augustinerkloster; ein neues Jugendgästehaus mit Doppelzimmern.
Planung. Städtetourismus, Jubiläumsprogramm, Schloss Friedenstein (inkl. Ekhof-Theater, Herzogliches Museum), Führungen durch die Forschungsbibliothek, Besuche der Sammlung Perthes – alles lässt sich gut vorab reservieren.

